Preußisch sparsam - Dampfmacher August v. Borries
Er fuhr noch selbst auf der Lokomotive - und war schließlich Professor an der Technischen Hochschule in Berlin. August v. Borries, M 98 galt als einer der einflußreichsten Dampfstrategen bei Preußens Eisenbahnen
Sparsamkeit zählte einst zu den sprichwörtlichen preußischen Tugenden. Was Wunder, dass sich die Verbundbauweise der Lokomotiven, die eine verbesserte Ausnutzung der Expansivkraft des Dampfes versprach, bei der preußischen Staatseisenbahn schon früh besonderer Gunst erfreute.
Anatole Mallet, der in Frankreich die erste brauchbare Verbundlokomotive mit Hoch- und Niederdruckzylindern gebaut hatte, fand in August von Borries ( 1852 - 1906 ) einen überzeugenden Jünger. 1880 schon veröffentlichte er im "Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens" eine kritische Besprechung der Malletschen Lokomotive, verbunden mit wesentlichen Gedanken zu ihrer Weiterentwicklung.
Borries war damals 28 Jahre alt. Von der Natur her scheint er, Sohn eines Rittergutsbesitzers, nicht das gewesen zu sein, was man sich unter einem Lokomotivbauer vorstellt. Wegen seiner "zarten Körperbeschaffenheit" war er bis zum 14. Lebensjahr von Hauslehreren unterrichtet worden, bevor er aufs Gymnasium hatte überwechseln können.
Von Jugend an hatte ihn das Eisenbahnwesen fasziniert. So bereitete er sich in einer Maschinenfabrik praktisch auf das Studium vor und besuchte drei Jahre lang die kgl. Gewerbe akademie in Berlin. Während der Ferien arbeitete er in den Werkstätten der Berlin - Hamburger Eisenbahn in Hamburg. In der Mischung, in der Ergänzung von Theorie und Praxis ( wozu auch seine Dienstzeit im Eisenbahn-Bataillon in Berlin beitrug ), lag denn auch später seine vielgerühmte Stärke.
Bei der Hannoverschen Staatsbahn, zu der er von der Bergisch-Märkischen Eisenbahn gekommen war, fuhr August von Borries ein Jahr lang auf der Lokomotive. Als im Jahre 1879 die Staats-(Baumeister-) Prüfung eingeführt wurde, war er einer der ersten, der sie bestand. Im Dezember 1879 wurde er zum Regierungs - Maschienenbaumeister in Hannover, 1885 zum Maschineninspektor ernannt. In Hannover brachte er es dann zum Vorsteher des maschinentechnischen Büros, womit er der Direktion angehörte.
Borries war ein unermüdlicher Vorkämpfer der Verbundlokomotive, er ersann Verbesserungen an der Steuerung, bei Anfahr- und Wechselvorrichtungen;gerade das Anfahren hatte bei den Verbundlokomotiven besondere Probleme bereitet. Ein von ihm entworfenes Anfahrventil wurde unter seinem Namen bekannt und fand weite Verbreitung.
Von Borries hatte mit seinem Eintreten für die Verbundlokomotive Erfolg. Allen Hindersissen zum Trotz - es gab schließlich auch beim Lokomotivbau verschiedene Schulen - wurde 1895 durch Ministererlaß verfügt, daß an den preußischen Staatsbahnen in Zukunft sämtliche Schnellzuglokomotiven und alle, längere Strecken durchfahrenden Güterzuglokomotiven mit Verbundanordnung auszustatten seien.
Borries' Name ist vor allem mit der preußischen S3 verbunden, einer Schnellzuglokomotive, die sich dank ihres zweiachsigen Laufgestells durch gute Laufstabilität auszeichnete. Sie wurde ab 1893 in 1072 Exemplaren gebaut. Auch die kleinere P4 kam auf 1191 Stück.
Sein Wort galt etwas in Eisenbahnkreisen. Studienreisen führten ihn nach England und in die Vereinigten Staaten, bei den Weltausstellungen in Chicago ( 1893 ) und in Paris ( 1900 ) wirkte er als Mitglied der Preisgerichte. Auch seine vielseitige schriftstellerische Tätigkeit trug zu seinem internationalen Ruf bei. Außer in der "Eisenbahntechnik der Gegenwart", die Borries mit anderen Fachleuten herausgab, schrieb er zahlreiche Abhandlungen für die Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure und das Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens. Borries war auf der Höhe seiner Zeit.
Im Jahre 1902 erhielt er, zum Gemeinen Regierungsrat ernannt, den ehrenvollen Ruf an die technische Hochschule in Berlin, wo er als professor für das Verkehrs-maschinenwesen lehrte. Doch seine Professur, Höhepunkt eines auch an Ehrungen reichen Lebens, war nur kurz. Ein Lungenleiden nötigte ihn 1905, in Meran Erholung zu suchen. Am 14.2.1906 verstarb er.
Ein großangelegtes Lokomotivlaboratorium gehörte zu seinen Lieblingsvorstellungen; er hatte auch schon die nötigen Mittel dafür bekommen. Doch die Vollendung des Bahnbetriebswerks Grunewald bei Berlin, das für die Entwicklung der Lokomotiven so wichtig werden sollte, hat er nicht mehr erlebt.
( Bericht von Max.J. Coturnix im Journal "Die Schöne Welt" - Datum nunbekannt )